Götzendämmerung

Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt ist ein 1889 veröffentlichtes Spätwerk Friedrich Nietzsches, in dem er wesentliche Aspekte seines bisherigen Denkens zusammenfasste. Mit ihm setzte er den Weg der Umwertung aller Werte weiter fort und bezog sich auf die „Götzen“ seiner Zeit, deren Dämmerung er voraussah.

Das heterogene Werk enthält viele metaphysikkritische, kunst- und sprachphilosophische Einsichten, die für das Verständnis der späten Philosophie Nietzsches von großer Bedeutung sind.

Die Werksbezeichnung wird üblicherweise mit dem Sigel GD abgekürzt.

Diese kleine Schrift ist eine grosse Kriegserklärung; und was das Aushorchen von Götzen anbetrifft, so sind es dies Mal keine Zeitgötzen, sondern ewige Götzen, an die hier mit dem Hammer wie mit einer Stimmgabel gerührt wird, - es giebt überhaupt keine älteren, keine überzeugteren, keine aufgeblaseneren Götzen... Auch keine hohleren... Das hindert nicht, dass sie die geglaubtesten sind; auch sagt man, zumal im vornehmsten Falle, durchaus nicht Götze...

By : Friedrich Nietzsche (1844 - 1900)

01 - Vorwort



02 - Sprüche und Pfeile



03 - Das Problem des Sokrates



04 - Die 'Vernunft' in der Philosophie



05 - Wie die 'Wahre Welt' endlich zur Fabel wurde



06 - Moral als Widernatur



07 - Die vier groߟen Irrtümer



08 - Die 'Verbesserer' der Menschheit



09 - Was den Deutschen abgeht



10 - Streifzüge eines Unzeitgemäߟen 01-12



11 - Streifzüge eines Unzeitgemäߟen 13-24



12 - Streifzüge eines Unzeitgemäߟen 25-38



13 - Streifzüge eines Unzeitgemäߟen 39-51



14 - Was ich den Alten verdanke



15 - Der Hammer redet


In zehn von einem kurzen Vorwort eingeleiteten Abschnitten resümiert Nietzsche die Hauptthemen seines Spätwerks.

Wie er in der autobiographischen Schrift Ecce homo schrieb, bezieht sich „Götze“ auf das, was man bisher Wahrheit genannt habe, auf deren Ende die (Metapher der) Dämmerung deute: „Götzen-Dämmerung – auf deutsch: Es geht zu Ende mit der alten Wahrheit …“

Das Bild des Hammers, das auf eine heftige Zerstörung des Alten hinweist, ergänzt Nietzsche im Vorwort mit dem der Stimmgabel. Mit ihr verweist er auf das diagnostische Vorgehen, dass die so hinterfragten Götzen „hohle Töne“ von sich geben können.

Zu den Schwerpunkten seiner Kritik gehören Metaphysik und Moral, Religion und erneut das Phänomen der Dekadenz, mit der sich Nietzsche seit langem beschäftigt und die er in unterschiedlichen Manifestationen beschrieben hatte.

Der metaphysische Dualismus (Zweiteilung) beherrsche die Geschichte der abendländischen Kultur und Philosophie und teile die Welt in einen wahren und einen scheinbaren Bereich. Nietzsche arbeitet Phasen der platonischen und christlichen, Kantischen und positivistischen Einflussnahme dieser Trennungen heraus.

Das Problem des Sokrates

Am Beispiel des Sokrates, den er als kranken Niedergangs-Typen charakterisiert, vertieft sich Nietzsche in die Probleme der Dekadenz und Idiosynkrasie. Bereits in seiner noch im Banne Richard Wagners stehenden Frühschrift Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik hatte er sich mit der Zentralgestalt der griechischen Philosophie befasst und eine Kritik des Sokratismus formuliert. Dieser war für Nietzsche eine Verfallserscheinung und ließ die Tragödie verkümmern, indem das Element des Dionysischen verdrängt wurde. Dem bis in die Gegenwart anhaltenden Verfall stellte er die Werke des damals noch hochgeschätzten Komponisten gegenüber, in denen die Kräfte versöhnt seien.

Die Ideen von Sokrates und Platon repräsentierten Verfalls-Symptome „griechischer Auflösung“, ihre Werturteile über das Leben seien dumm, hätten keinen philosophischen Wert und könnten nur als Symptome einer Krankheit verstanden werden. Der Wert des Lebens sei nicht abzuschätzen, und wer diese Frage als Philosoph zum Problem mache, untergrabe seine Weisheit.

Mit Sokrates schlage der vornehme griechische Geschmack in die Dialektik um, mit welcher der „Pöbel“ nach oben komme. Wo die Autorität zur guten Sitte gehöre und nicht zu begründen, sondern zu befehlen sei, gelte der Dialektiker als „Hanswurst“. Die Sokratische Ironie sei womöglich Ausdruck von „Pöbel-Ressentiment“.

Die Vernunft in der Philosophie
Im dritten Abschnitt – „Die Vernunft in der Philosophie“ – beklagt Nietzsche den Mangel der Philosophen an historischem Sinn, ihre Ablehnung des Werdens sowie ihre Neigung, „das Letzte und das Erste“ zu verwechseln, von höchsten Begriffen auszugehen, ohne ihre Entstehung zu berücksichtigen, ja sie von sich zu weisen. Das Höhere, so glaubten die meisten, dürfe nicht aus dem Niederen wachsen. Was, wie die Moral, ersten Ranges sei, müsse „Causa sui“ also nicht geworden sein, womit man den Begriff Gott erreicht habe: Das Letzte werde als Erstes gesetzt, als Ursache an sich. Die Menschheit habe teuer dafür gezahlt, die „Gehirnleiden kranker Spinneweber“ ernst zu nehmen.

Es sei zudem falsch, dem Zeugnis der Sinne zu Gunsten einer Scheinwelt zu misstrauen. Was die Philosophen seit Jahrtausenden gemacht hätten, seien „Begriffs-Mumien“ gewesen, nichts Lebendiges sei aus ihren Händen gekommen. Die Vernunft sei die Ursache einer sinnlosen Zweiteilung der Welt. Die Sinne selbst würden nicht lügen, was aber aus ihrem Zeugnis gemacht werde, lege die Lüge hinein. Die Welt im Sinne des Christentums oder Kants in eine wahre und scheinbare zu trennen, sei eine Suggestion der Dekadenz.

Moral als Widernatur
Im folgenden Kapitel unterzieht Nietzsche den Umgang mit den Leidenschaften einer Kritik, die mit physiologischen und psychiatrischen Fachbegriffen arbeitet. Den Passionen gegenüber habe sich vor allem die Kirche falsch verhalten, deren Praxis lebensfeindlich sei. Statt danach zu fragen, wie man Begierden vergeistigen und verschönen könne, seien sie bekämpft worden. „Aber die Leidenschaften an der Wurzel angreifen heisst das Leben an der Wurzel angreifen.“

Nietzsche unterscheidet eine „gesunde“ von einer „widernatürlichen“ Moral. Jede gesunde Moral sei von einem „Instinkt des Lebens beherrscht“, während die widernatürliche, „das heisst fast jede Moral, die bisher gelehrt...worden ist“, sich gegen die „Instinkte des Lebens“ wende und diese, „bald heimlich, bald laut“ verurteile.

Die Vergeistigung der Sinnlichkeit, die Liebe, sei ein Triumph über das Christentum. Auch die Feindschaft sei vergeistigt worden, indem man nun ihren tiefen Wert begreife. Habe die Kirche zu allen Zeiten die Vernichtung ihrer Feinde angestrebt, würden die „Antichristen“ den Vorteil gerade darin sehen, dass die Kirche bestehe. In dieser „neuen Schöpfung“ voller Gegensätze seien „Feinde“ nötiger als „Freunde“, und auch den Wert der „inneren Feinde“ habe man erkannt: „Man ist nur fruchtbar um den Preis, an Gegensätzen reich zu sein“.

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