In der Strafkolonie

In der Strafkolonie ist eine Erzählung von Franz Kafka, die im Oktober 1914 entstand und 1919 veröffentlicht wurde. Einem Forschungsreisenden wird das Rechtssystem einer Strafkolonie vorgeführt. Es besteht darin, dass jeder Angeklagte nach Festlegung des Urteils, das nicht angezweifelt werden kann, von einem Apparat in minutiösem Ablauf stundenlang gefoltert und dann getötet wird. Was er zu beherzigen habe, wird ihm in den Leib eingeschrieben. Der bei einer Vorführung anwesende Forschungsreisende verlässt nach dem unerwarteten Ausgang der Exekution umgehend die Insel.

By : Franz Kafka (1883 - 1924)

In der Strafkolonie


Die Justiz der Strafkolonie

Ein hoch angesehener Forschungsreisender besucht eine abgelegene Insel, die eine Strafkolonie eines nicht näher genannten mächtigen Landes ist. Er wird eingeladen, an einer öffentlichen Exekution teilzunehmen. Diese wird durch einen seltsamen Apparat vorgenommen, der von dem verstorbenen Kommandanten der Insel entwickelt wurde. Die Maschine, deren Bedienung von einem Offizier übernommen wird, der offenbar eine richterliche Funktion ausübt, besteht aus einer kompliziert gesteuerten Apparatur. Ihr Zweck ist es, dem Verurteilten das übertretene Gebot in einer langen und blutigen Prozedur immer tiefer in den Körper zu ritzen, was schließlich zu seinem Tode führt.

Der Offizier ist ein Befürworter des Apparates. Seit dem Tode des alten Kommandanten hat diese Bestrafungsform aber immer mehr Gegner gefunden. Zu ihnen kann man auch den neuen Kommandanten zählen. Der hofft wohl auf kritische Äußerungen des Reisenden, eines Experten auf dem Gebiet des Strafvollzugs, um dieser technisierten und gleichzeitig archaischen Bestrafungsmethode ein Ende zu bereiten. Es ist eine Methode, die dem Angeklagten nicht einmal vor der Vollstreckung das Urteil verkündet, geschweige denn eine Möglichkeit zur Verteidigung lässt. Erst während der zwölfstündigen Qualen, die der Verurteilte auf sich nehmen muss, erkennt er angeblich an dem Schriftzug, der von der höllisch kreischenden Maschine immer wieder und immer tiefer in seinen Körper eingeritzt wird, dessen Bedeutung.

Bei der anstehenden Exekution soll einem einfachen, etwas einfältigen Soldaten, der als Diener eingeteilt und seinem Herrn gegenüber angeblich ungehorsam war, der Schriftzug „Ehre deinen Vorgesetzten“ eingeritzt werden. Ein anderer Soldat ist ihm zur Bewachung zur Seite gestellt. Zwischen beiden entsteht eine Art Kumpanei, die zu skurrilen Momenten führt.

Die indifferente Rolle des Reisenden

Nachdem dem Reisenden in aller Ausführlichkeit Aufbau und Funktion des Gerätes erklärt wurden und der Verurteilte bereits für die Exekution auf die Maschine geschnallt ist, wendet sich der Offizier, noch bevor er die Apparatur in Gang setzt, an den Reisenden und bittet ihn, sich später dem neuen Kommandanten gegenüber positiv zu der Bestrafungsmaschine zu äußern. Dies lehnt der Reisende zwar ab, versichert aber dem Offizier, der gehofft hatte, so den Fortbestand der Maschine sichern zu können, dass er sich öffentlich auch nicht negativ über diese Maschine äußern werde. Er wolle seine Abneigung gegen diesen Apparat dem Kommandanten nur unter vier Augen mitteilen. Er missbillige zwar die Inhumanität des ganzen Vorgangs, sei aber als Bürger eines anderen Landes nicht befugt, darüber zu urteilen.

Die Exekution des Offiziers

Als der Offizier merkt, dass er seinen Besucher nicht überzeugen kann, lässt er den verdutzten Verurteilten aus der Maschine befreien und seine bereits weggeworfenen Kleidungsstücke wieder anlegen. Statt seiner zieht sich nun der Offizier aus und legt sich nackt auf das Gerät, dessen Räderwerk er so umstellt, dass es ihm die Worte „Sei gerecht“ in den Rücken ritzen kann.
Nachdem ihn die beiden Soldaten ordnungsgemäß festgezurrt haben, setzt sich die Maschine plötzlich von selbst in Gang, arbeitet jedoch ganz anders als vorgesehen. Nicht kreischend, sondern völlig lautlos, ohne das geringste Surren startet der Mechanismus und wird immer schneller. Die Zahnräder heben sich aus den Schaltkästen und der gesamte Apparat scheint auseinanderspringen und in Trümmer gehen zu wollen. Auch die Nadeln der sogenannten Egge schreiben nicht, wie sie sollen, sondern stechen nur tief und tiefer in den von Blut triefenden Körper: „[…] das war ja keine Folter, wie sie der Offizier erreichen wollte, das war unmittelbarer Mord.“ So dauert es statt vieler Stunden nur wenige Minuten, bis das Opfer exekutiert ist und, mit einem langen eisernen Stachel in der Stirn, über der Abfallgrube hängt. Sein totes Gesicht zeigt kein Zeichen der Erlösung, wie zuvor von ihm selbst begeistert beschrieben, sondern blickt den Forschungsreisenden lediglich „ruhig und überzeugt“ mit offenen Augen an.

Nach diesem makabren Spektakel der Selbstzerstörung von Mensch und Maschine besucht der Reisende, begleitet von den beiden Soldaten, noch das Grab des alten Kommandanten, bevor er anschließend überstürzt abreist. Dabei verhindert er erfolgreich, dass die beiden Soldaten ihm folgen und die Insel ebenfalls verlassen.

Schlussfragmente

Es existieren drei fragmentarische Schriften vom August 1917, in denen Kafka neue Schlussvarianten ausprobiert. Diese bezeichnen den Reisenden als psychisch und physisch sehr erschöpft, einmal scheint er fast den Verstand zu verlieren. Plötzlich taucht auch – ähnlich einer Geistererscheinung – der hingerichtete Offizier mit dem aus der geborstenen Stirn hervorragenden Stachel noch einmal auf.

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